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Was ich vom Grottenolm über das Leben gelernt habe

In unserem Kroatien-Urlaub haben wir einen Ausflug in die Höhle Baredine gemacht – eine Tropfsteinhöhle, die unter anderem dafür bekannt ist, den Grottenolm (Proteus anguinus) zu beherbergen. Mein Mann und die Kinder waren total aufgeregt und voller Vorfreude auf dieses merkwürdige Wesen; ich persönlich war weniger enthusiastisch…

Wir stiegen 60m in die Tiefe, die Stalaktiten und Stalagmiten in der Höhle fand ich tatsächlich sehr beeindruckend – und dann, in einem kleinen unterirdischen Bassin schwammen sie herum: zwei blasse, regungslose Grottenolme.

Diese Tiere leben eigentlich mehrere 100m unter der Erde in vollkommener Dunkelheit, deshalb haben sie auch keine funktionierenden Augen. Der Proteus anguinus kann bis zu 100 Jahre alt werden und in Notzeiten ein Jahr lang ohne Nahrung auskommen; er wird maximal 30-40cm lang und verfügt neben Lungen über drei Paar roter Kiemenbüschel am Hinterkopf. Mit seinem weißen, fast wächsern wirkenden Körper gehört er nicht gerade zu den schönsten Lebewesen… im Gegenteil.

Nach ein paar Minuten mit dem Grottenolm stiegen wir wieder nach oben; Mann und Kinder waren zufrieden (diesen Punkt auf ihrer To-see-Liste konnten sie schon mal abhaken) – und ich ziemlich nachdenklich. Irgendwie berührte mich die Existenz dieses Lurches auf eine Weise, die ich mir nicht erklären konnte…

 

Und dann, vor ein paar Tagen, fragte meine Tochter, warum Gott eigentlich die Pferde gemacht habe. Ich antwortete ihr, dass Gott natürlich schon von Anfang an wusste, dass kleine Mädchen wie sie Pferde richtig gern haben würden. Und außerdem hätten die Menschen die Pferde gebraucht, um auf ihnen zu reiten, Lasten zu tragen und den Pflug zu ziehen, bevor sie entsprechende Maschinen erfunden hatten.

Meine Tochter war mit der Antwort zufrieden – ich selbst fragte mich, ob das so wirklich stimmte:

Natürlich ist die Erde der Lebensraum für den Menschen und Gott hat alles von Anfang an so geplant und eingerichtet, dass wir darin gut leben können. Aber hat Gott alle Pflanzen und Tiere wirklich primär für den Menschen und zu dessen Nutzen erschaffen? Oder ging es ihm bei seinem Schöpfungswirken noch um etwas anderes?

Warum hat Gott den Grottenolm geschaffen?

Er ist nicht nützlich für die Menschen – eigentlich hatten wir lange Zeit kaum Berührungspunkte mit ihm (und das war zu seinem eigenen Vorteil). Der Grottenolm „kann“ auch nichts. Er blubbert in absoluter Finsternis vor sich hin. Er sieht nichts, er „erlebt“ nichts, hört wahrscheinlich so gut wie nichts (was auch?), er schafft und er bewirkt nichts. Bevor die Höhle Baredine für Touristen erschlossen wurde, bekam kaum je ein Auge den Grottenolm zu Gesicht. Er ist weder schön noch nützlich, weder intelligent noch witzig.

Ich fragte mich: Ist das eine lebenswerte Existenz?

Irgendwie tat mir der farblose Lurch leid – und gleichzeitig erfüllte mich sein Dasein auf der Welt mit Ehrfurcht – beinahe bewunderte ich ihn. Weil er einfach ist. Egal, ob jemand ihn sieht. Egal, ob er besonders schön ist oder einen großen Nutzen für das Ökosystem hat (vielleicht hat er den sogar und ich weiß es nur nicht…).

Gott hat den Grottenolm geschaffen, weil er ihn wollte.

Weil er Spaß daran hatte, ihn zu erfinden und zu formen.

Gott hat den Grottenolm gemacht, weil er das Leben liebt – und weil er offensichtlich der Meinung war, dass auch in der tiefsten und dunkelsten Höhle Leben zu finden sein sollte.

Für mich ist das die einzig schlüssige Antwort.

Und vielleicht gilt diese Antwort nicht nur dem Proteus anguinus, sondern auch dem Pferd und jedem anderen Tier, und letztlich auch mir und einem jeden Menschen.

Gott hat mich nicht gemacht, damit ich einen Zweck erfülle, damit ich nützlich bin, besonders schön oder geistreich oder schnell oder witzig oder praktisch.

Er hat mich gemacht, einfach, weil er Spaß daran hatte.

Weil er mich wollte.

Weil er diese Idee hatte und sie einfach umsetzen musste –

weil ich ihm noch fehlte.

Ich finde diesen Gedanken ungemein befreiend und wertschätzend. Weil er jedem Menschen gilt. Auch und gerade denen, die der Gesellschaft als wenig „nützlich“ gelten, bei denen mancher sich fragt, ob ihre Existenz überhaupt „lebenswert“ ist. Gottes Schöpferwille ist vollkommen unabhängig von allen menschlichen Kriterien wie Leistung, Attraktivität, Kraft oder Intelligenz. Er interessiert sich nicht für unsere Normen oder dafür, ob ein Leben in den Augen der Menschen „aufregend“, „selbstbestimmt“ oder „sinnvoll“ ist.

Gottes Zuspruch gilt dem Pferd und dem Grottenolm gleichermaßen, dem Mann im Rollstuhl ebenso wie dem Leistungssportler, der Frau mit geistiger Behinderung genauso wie der Professorin, der Kinderlosen und dem Blinden, dem Profi-Boxer, der Obdachlosen, dem Bergsteiger und der Depressiven.

Egal, ob ich zu den Spitzenkräften in meinem Feld gehöre oder mit einem Burn-out zu Hause im Bett liege – für Gott bin ich unendlich wertvoll.

Und du bist es auch!

Wenn du das nächste Mal das Gefühl hast, nutzlos, hässlich, unsichtbar zu sein, dann denk an den Grottenolm und lass dich von ihm ermutigen!

Und wer weiß, vielleicht ist das Leben auch mehrere hundert Meter unter der Erde in absoluter Dunkelheit eine einzige Party und der Proteus anguinus ein echter Partylöwe… Auf welche Art auch immer, der Grottenolm lobt den Schöpfer, da wo er ist, einfach dadurch, dass er ist!

Das darf ich von ihm lernen, und vor meinem Vater im Himmel fröhlich sein – einfach, weil ich bin.

 

PS: Dass ausgerechnet ein Pferd und ein Grottenolm auf zwei gegenüberliegenden Seiten im Ferientagebuch meiner Tochter zu finden sind – ich glaube nicht, dass das ein Zufall ist! 🙂

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8 Kommentare

  • Kostbar

    Liebe Rebekka, danke für deine Gedanken und dafür, dass du sie mit uns teilst. Ich habe vor einiger Zeit einen ganz ähnlichen Gedanken in einem Post verarbeitet. Wenn es dich interessiert, kannst du mal auf meiner Seite nach “Am Tiefpunkt” suchen.

    Ich finde es so unfassbar, dass Gott bedingungslos liebt! Und dein Vergleich mit dem Lurch macht es doch wieder ein Stück fassbarer, daran werde ich sicher noch öfter denken!

  • Eveline

    Wundervolle Gedanken! Danke dafür. Ich glaube hinter denn Satz „auch in der tiefsten und dunkelsten Höhle Leben zu finden sein sollte“ steckt so so viel. Überall ist Leben. Manches winzig klein und für uns unsichtbar. Aber Jesus ist das Leben und die ganze Schöpfung verherrlicht ihn und zeigt auf ihn! Echt krass wie wenig der Grottenolm zum Leben braucht, oder? Er lebt, weil er leben soll und was er hat genügt ihm für ein unfassbar langes Leben. Und wir dürfen sagen: Jesus genügt mir!

    Vielleicht wird das mein neues Lieblingstier 😀

    • rebekkasloveletter

      Danke dir, liebe Eveline! Das hast du nochmal sehr schön auf den Punkt gebracht. Es ist schon komisch – zuerst war ich eher abgestoßen von diesem Tier, und jetzt finde ich ihn toll! 🙂

  • Friederike

    Ich dank dir für diesen Beitrag! Spricht mir aus der Seele, nur hätte ich die Worte nicht gefunden. Seinen Wert nicht an Leistung, Schönheit, … zu messen, auch nicht unterschwellig, find ich schon herausfordernd. Um nicht zu sagen: Das geht gar nicht, wenn es mir nicht gegeben wird. Es ist ein Geschenk, wenn man diese Einstellung wirklich verinnerlichen kann.

    Und: Gott ist echt so sagenhaft kreativ! Das hab ich in unserem Urlaub jetzt auch wieder festgestellt. Dazu hilft es schon, mal aus dem Gewohnten raus zu kommen, mal einen neuen Ort zu entdecken etc… Und natürlich hat man im Urlaub i.d.R. mehr Zeit und Ruhe, Natur zu bestaunen. Ich bin jedenfalls wieder und wieder mächtig beeindruckt. 🙂 Dein Ferientagebuch hat uns übrigens auch treu begleitet. Die Große (7) war ziemlich eifrig dabei, die Kleinere (4) musste ich eher ein bisschen anstupsen und so wurde das Tagebuchausfüllen unser gemeinsames abendliches Ritual. (: Danke!

    • rebekkasloveletter

      Hallo Friederike, das freut mich, dass euch das Ferientagebuch durch den Urlaub begleitet hat! Und ja, wir dürfen uns mehr und mehr frei machen lassen von diesen ganzen scheinbaren “Wertvoll-Machern”… kennst du das Buch “Du bist einmalig” von Max Lucado? Da geht es ja genau darum.
      Liebe Grüße!

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