Gedanken,  Glaube,  Mut am Montag

Ein Sela für die Seele

Darf ich dich zu einer kleinen Pause einladen? Zu einer Auszeit im Alltag, einem Hauch Stille, einem Moment Nichts-Tun? Wie geht es dir damit, eine Pause einzulegen? Fühlst du eine gewisse Unruhe in dir aufsteigen, meldet sich schon beim Gedanken daran das schlechte Gewissen? Es gibt doch immer so viel zu tun… Kann ich mir das leisten, mal nichts zu leisten?

Im LoveLetter für Mai ging es um das Thema Pause. Seitdem beschäftigt mich dieses kleine Wort immer wieder und fordert mich heraus.

Eigentlich bin ich gar nicht schlecht im Pause-Machen. Ich kann arbeiten, ich kann aber auch ruhen. Ich habe gelernt, dass ich Auszeiten dringend brauche, um auch nur annähernd die Mutter für meine Kinder sein zu können, die ich sein möchte. Manchmal habe ich trotzdem ein schlechtes Gewissen, so pausenbedürftig zu sein – obwohl mir bewusst ist, dass wir alle unterschiedlich sind in unseren Bedürfnissen und auch in unserer Leistungsfähigkeit, und dass es okay ist.

Ich mache also Pausen – und dann auch wieder nicht…

Wie oft fülle ich meine Auszeiten mit Aktivitäten, mit Stimmen und Bildern im Hintergrund, mit kleinen “leichten” Aufgaben und to-dos! Irgendwie versuche ich doch, auch in der Pause noch irgendetwas Nützliches zustande zu kriegen… Teilweise sind meine Momente der Ruhe doch recht rastlos.

Das Englische Wort pause kann man unter anderem mit “innehalten” übersetzen. Innehalten. Ich liebe dieses Wort… und weiß gleichzeitig, dass ich das nicht gut kann. Innehalten. Durchatmen. Warten. Aushalten. Genießen. Stoppen. Stehenbleiben und die Blumen am Wegesrand betrachten. Das Wort auf meiner Zunge schmecken – und es nicht aussprechen. Das Buch nach einem wunderbaren Satz zuklappen und darüber nachsinnen. Sich den Nachtisch im Munde zergehen lassen…

Nein, im Innehalten bin ich ganz klein. Meine Stärke (und gleichzeitig eine Schwäche) ist eher die Schnelligkeit. Ich erfasse normalerweise sofort, was in einem Text steht – ja, ich kapiere schnell und handle schnell. Ich tendiere dazu, vorzupreschen, wo andere noch grübeln. Ich werde leicht ungeduldig, weil ich es ja schon längst verstanden habe. Ich meine, den vollen Durchblick zu haben. Wenn andere trödeln, nervt mich das. Worte und Sätze formen sich in rapidem Tempo in meinem Kopf und wollen losgaloppieren… Darauf war ich oft stolz, und bin es – zu einem gewissen Teil – wohl noch immer. Dabei wird mir mehr und mehr bewusst, dass meine Art, die Welt zu sehen und auf sie zu reagieren, nicht nur Vorteile hat.

Nuancen und Details können mir leicht entgehen. Oft ziehe ich vorschnelle Schlüsse, denke etwas nicht zu Ende und verkalkuliere mich. Meine Worte verletzen. Gottes Stimme kann nicht zu mir durchdringen, weil meine Gedanken schon wieder weiter sind. Die Tafel Schokolade, die gerade noch auf meinem Tisch lag, ist plötzlich verschwunden. Es fällt mir schwer, mich zu erinnern. Manchmal weiß ich nicht, was ich gerade gemacht habe, weil ich mit dem Kopf ganz woanders war. Ich bin erschöpft und entnervt, auch noch nach einer längeren Pause.

Bei der Vorbereitung des LoveLetters stieß ich auf das hebräische Wort Sela. In der Bibel kommt es über 70x vor, hauptsächlich in den Psalmen. Seine konkrete Bedeutung und Funktion ist umstritten – sicher ist, dass es sich dabei um ein Tonzeichen handelt, das entweder einen Refrain oder ein Echo anzeigt, ein Zwischenspiel oder eine Pause signalisiert oder als Bekräftigung eines Verses dient.

Sela. Ein kleines Wort, das wir leicht überlesen können (und tatsächlich wird es oft übersprungen und nicht mitgelesen, zum Beispiel bei der Textlesung im Gottesdienst), das uns aber auf etwas aufmerksam machen möchte. Das uns einlädt, zu verweilen. Innezuhalten. Ein Stopp-Schild mitten im Text. So zum Beispiel hier:

Bei Gott ist mein Heil und meine Ehre, der Fels meiner Stärke, meine Zuversicht ist bei Gott. Hoffet auf ihn allezeit, liebe Leute, schüttet euer Herz vor ihm aus; Gott ist unsere Zuversicht. Sela.

Psalm 62,8+9

Sela ist eine Einladung. Eine Bank am Wegesrand: Setz dich, mach mal Pause. Halte inne und denk darüber nach, was du gerade gelesen hast. Lass Gott zu dir sprechen, durch dieses Wort: Was bedeutet es für dich, dass Gott deine Zuversicht, deine Hoffnung ist? Möchtest du ihm gerade dein Herz ausschütten? Dann tu es!

Lies nicht einfach weiter, geh über diese wunderbare Zusage nicht einfach hinweg. Riech an der Blume, berühre ihre Blüten, genieße ihre Farbe, nimm sie tief in dich auf! Sela.

Da ist eine Sehnsucht in mir – ich möchte das so gern können! Ich möchte mich darauf einlassen, auf das Sela. Für meine Seele.

Denn ich spüre ja, dass ich die Pausen brauche, besonders für mein Herz, für meine Seele und meinen Geist. Jeder Tag ist so voller Erlebnisse und Eindrücke, Begegnungen und Emotionen, die es zu verarbeiten gilt. Besonders, wenn man ein eher sensibler Zeitgenosse ist – aber nicht nur dann!

Es braucht Zeit, Schätze aufzuspüren und zu bergen. Ohne Pausen, ohne Sela, kratze ich nur an der Oberfläche. Wenn ich meine Wurzeln tief in Gottes Wahrheit versenken möchte, wenn ich mich nach Heilung und Reife und emotionale Stabilität sehne, geht das nicht ohne Innehalten.

Ein Zitat begleitet mich nun schon seit einigen Wochen – leider habe ich den oder die Urheber*in nicht herausfinden können – es heißt Practice the pause und ich habe es für den Mai-LoveLetter übersetzt:

Übe das Innehalten.

Wenn du zweifelst, halte inne.

Wenn du wütend bist,

müde,

im Stress –

halte inne.

Und wenn du innehältst:

Bete.

unbekannt

Wir können dieses Gedicht für uns persönlich noch beliebig ergänzen:

Wenn du Schönheit begegnest, halte inne.

Wenn du verzweifeln willst, halte inne.

Wenn du Gottes Stimme hörst, halte inne.

Wenn sich dein Herz mit Dankbarkeit füllt, halte inne.

Wenn du deine Kinder anschreien willst, halte inne.

Wenn du nicht mehr weiter kannst, halte inne.

Ich wünsche dir und mir, dass wir den Schatz der Pause mehr und mehr entdecken – und durch ihn immer reicher und freier und erfüllter werden; die Menschen, die Gott im Sinn hatte, als er uns schuf. Ich wünsche dir Pausen für deine Seele und immer wieder ein Sela in deinen Alltag hinein.

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