Fastenzeit,  Gedanken,  Ich,  Körper & Seele

Ich gehe also…

In dieser Fastenzeit habe ich mir vorgenommen, tagsüber komplett auf Serien und gestreamte Videos zu verzichten (mit Ausnahme von kreativen Inhalten wie den Wanderlust-Videos). Ich habe schon in den letzten Jahren gedacht, dass dies für mich die richtige Form des Verzichtens wäre, mich aber nie dazu durchringen können. Dieses Mal hat es endlich geklappt, ich weiß nicht, warum. Vielleicht muss der Leidensdruck groß genug sein, damit ich die Kraft finde, etwas zu verändern.

Aber wie auch immer – wenn man etwas weglässt, ist es gut, sich zu überlegen, wie man den entstandenen Leerraum stattdessen gestalten möchte. Vormittags arbeite ich jetzt tatsächlich ohne nebenher etwas laufen zu haben, höchstens vielleicht Musik, aber vor allem, wenn ich schreibe, funktioniert das nicht. Dafür brauche ich Stille. Nachmittags verbringe ich bewusst Zeit mit den Kindern und mit meinem Mann, wenn er von der Arbeit gekommen ist. Und mittags – mittags gehe ich spazieren.

Ich habe mir nämlich zum Ziel gesetzt, in der Fastenzeit täglich möglichst 10.000 Schritte zu gehen, wie das ja auch allgemein empfohlen wird. Mein aufmerksamer Mann hat mir vom Einkaufen einen Schrittzähler mitgebracht, den ich seit Aschermittwoch immer in meiner Hosentasche trage (ich sträube mich noch gegen eine Fitnessuhr). Den ersten Tag habe ich dafür genutzt, meine aktuelle Schrittanzahl zu ermitteln – und stellte fest, dass ich an einem normalen Wochentag auf nur etwa 6000 Schritte komme.

Nun galt es, meine Schrittzahl pro Tag in etwa zu verdoppeln… Gar nicht so einfach, wenn man a) von klein auf zur Effizienz erzogen wurde und b) sagen wir eher weniger bewegungsinteressiert ist.

Ich habe mir überlegt, die Gänge, die ich jeden Tag sowieso mache, deutlich zu verlängern und damit meine Schrittzahl ohne großen Aufwand deutlich zu steigern. Wenn ich die Kinder zum Kindergarten gebracht habe, gehe ich nicht auf direktem Weg nach Hause, sondern mache einen Umweg, der mir gut und gerne 2000 -3000 Schritte mehr bringt. Und am Nachmittag gehe ich eine Dreiviertelstunde früher los, wenn ich die Kinder von der Kita abhole. Das ist mein großer Spaziergang – und wenn die Kinder und ich nach Hause kommen, zeigt mein Schrittzähler schon um die 9000 Schritte an. Ich bin wirklich dankbar, dass es mir möglich ist, diese Extrawege einplanen zu können und die Zeit dafür zu haben! Jetzt sitze ich nach dem Mittagessen also nicht mehr verdauungsschlapp am Schreibtisch und schaue irgendein Schrottvideo, während ich pseudomäßig versuche, etwas zu arbeiten, sondern bin draußen an der frischen Berliner Luft und gehe.

Wie gut, dass es die Fastenzeit gibt! So habe ich die Motivation gefunden, einen länger gehegten Plan endlich in die Tat umzusetzen. Die Idee zu einem täglichen Spaziergang am Nachmittag (und dem Sammeln von Schritten) hatte ich nämlich schon vor Monaten! Aber letztlich konnte ich mich nie dazu aufraffen…

Jetzt gehe ich also.

Ich gehe und bin dankbar für meinen Körper, für meine Beine, die mich tragen. Sie sind zum Gehen gemacht, und es fühlt sich einfach gut an. Ich bin keine Läuferin, aber gehen… das liebe ich. Das Gehen hilft mir dabei, meinen Körper wahrzunehmen und wertzuschätzen und ihn nicht mehr darauf zu reduzieren, wie er aussehen müsste, um einem bestimmten Ideal zu entsprechen. Ich gehe, und nur das zählt, in diesem Moment.

Ich gehe und atme. Teilweise gelingt es mir tatsächlich an nichts weiter zu denken und alle Gedankenfetzen, die aufploppen, einfach weiterziehen zu lassen.

Ich gehe und staune: Es gibt so viel zu entdecken! Krokusse, die als kleine bunte Sträuße auf der Wiese stehen. Merkwürdige Gartendekorationen (eine lebensgroße Kuh?!). Gesprayte Nachrichten auf Stromkästen. Mixed-Media-Hauswände. Verwunschene Gärten. Protzige Villen. Katzen und Krähen. Giftgrüne Fassaden. Fluffige Wolkentürme… Ich sammle Inspirationen und sauge Farben und Muster und Strukturen in mir auf. Manchmal bleibe ich stehen und mache ein Foto. Vielleicht nehme ich demnächst ein kleines Skizzenbuch und einen Bleistift mit.

Ich gehe und merke, wie innere Knoten sich lösen, wie ich plötzlich viel befreiter bin. So ein einsamer Spaziergang ist wie Aufräumen im Kopf. Ich sehe wieder klar. In mir ist es heller geworden.

Ich gehe und manchmal singe ich ein Lied dabei.

Ich gehe und höre, sehe, fühle, dass die Natur erwacht. Der Frühling kommt!

Ich gehe und bete. Es sind keine langen, komplizierten, elaborierten Gebete – vielmehr kleine Fürbitten, Segenswünsche; immer wieder auch ein „Danke“ und ein staunendes „Wie wunderbar hast du das gemacht!“ Ich versuche, in der Gegenwart Gottes zu gehen – in dem Bewusstsein, dass er bei mir ist. Er kennt jeden meiner Schritte. Er weiß, wohin mein Weg mich führt – dieser Spaziergang und auch mein Lebensweg. So ist das tägliche Gehen für mich auch eine Möglichkeit, meine Beziehung zu Gott zu pflegen und mehr mit ihm im Gespräch zu sein.

Und am Ende des Tages ist es egal, ob ich die 10.000 Schritte vollgemacht habe oder nicht. Die Tatsache, dass ich mich überhaupt mehr bewegt habe, ist entscheidend – dass ich draußen war und gegangen bin. Ich fühle mich besser: Mein Kopf ist freier, Gedankenknoten haben sich gelöst. Meine Beine sind ruhiger, kribbeln und zwicken nicht mehr.

An manchen Tagen muss ich mich trotzdem überwinden, nach dem Mittagessen Jacke und Schuhe anzuziehen und loszugehen. Vor allem bei Nieselregen habe ich keine Lust.

Ist das nicht merkwürdig, wie schwer es uns oft fällt, das zu tun, was uns wirklich gut tut? Ich weiß, wie schön das Gehen ist, wie frei es mich macht, wie gut es meinem Körper und genauso meinem Geist tut – und trotzdem muss ich mich aufraffen, den inneren Schweinehund niederringen und den Widerstand der Gewohnheit brechen.

Es gibt Tage, da gelingt mir das nicht.

An diesen gehe ich stattdessen eine große Runde zusammen mit meinen Kindern, nach der Kita. Sie finden das 10.000 Schritte-Projekt auch spannend und unterstützen mich darin. Und es gibt auch noch andere Möglichkeiten, die eigene Schrittanzahl im Alltag zu steigern:

    • Jede Treppe gehen, die mir begegnet
    • Keine Abkürzungen mehr nehmen und stattdessen Umwege machen
    • Bei der Arbeit am Schreibtisch immer wieder aufstehen und eine Runde durch die Wohnung drehen
    • Extra-Wege machen, z.B. jedes Sockenpaar einzeln in die Kommode räumen (auch wenn mir das schwer fällt, von wegen Effizienz und so…)
    • Zum Lieblingslied durchs Zimmer tanzen
    • Beim Zähneputzen/Telefonieren… auf der Stelle gehen
    • Strecken zu Fuß gehen, die man sonst mit dem Bus fahren würde (danke, streikende Busfahrer, für 4000 Extra-Schritte!)…

 

Es ist ein schönes Fastenvorhaben, finde ich.

Es hat was von Pilgern…

Und was macht ihr so, in der Fastenzeit? Verzichtet ihr auf etwas – oder ändert ihr bestimmte Gewohnheiten? Wer hat Lust, täglich 10.000 Schritte mit mir zu gehen?

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Ein Kommentar

  • Judith

    Hallo Rebekka!
    Ich finde deine Idee klasse mit den 10 000 Schritten pro Tag! Und auch wie ehrlich und offen du darüber berichtest!
    Ich habe mir das lustigerweise auch vorgenommen (aber jetzt nicht speziell wegen der Fastenzeit) mehr zu GEHEN… und das auch in die Tat umgesetzt, wenn SCHÖNES Wetter war 🙂
    Danach ging es mir jedes Mal wirklich besser! Ich muss das immer vormittags einplanen, weil Mittags die Kinder wieder da sind… und dann ist meistens der ganze Tag mit Hausaufgaben und Lernen ausgefüllt…(die Große geht seit Sept.aufs Gymnasium)…
    In letzter Zeit habe ich es aber wieder schleifen lassen… das vermehrte GEHEN…
    Danke für diese Erinnerung!
    Und wann gab es diesen Schrittzähler? Ist er vom Lidl?
    LG
    Judith

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