Was Corona mit mir gemacht hat
Ein halbes Jahr mit Corona liegt nun schon hinter uns. Sechs Monate neue, andere, merkwürdige, beängstigende, verwirrende Realität. Und ich komme klar, würde ich sagen. Irgendwie. Habe das Unterrichten und Rundumbetreuen der Kinder ganz gut gemeistert. Wir haben Familienzeit genossen (und uns manchmal doch weniger davon gewünscht); gemerkt, wie lange man mit einer Packung Klopapier auskommt (länger als man denkt!); uns ans Tragen einer Gesichtsmaske im öffentlichen Raum gewöhnt. Und wir waren sogar im Urlaub, was ich vor ein paar Monaten für nicht möglich gehalten hatte.
In den Ferien konnte ich auftanken und kam vor allem mal raus, konnte etwas Abstand gewinnen. Dabei habe ich aber auch gemerkt, wie sehr mir die ganze „Situation“ zu schaffen macht. Ja, Corona hat etwas mit mir gemacht:
Seit Corona…
habe ich mehr Angst. Ich würde mich grundsätzlich als eher ängstlichen, schreckhaften Menschen beschreiben, aber die Ängste, die mir in den letzten Wochen begegnet sind, kannte ich in der Form bisher nicht. Als wir unsere Kinder in den Ferien bei den Großeltern abgaben, sah ich vor meinem inneren Auge plötzlich schreckliche Szenen ablaufen, was meinen beiden alles zustoßen könnte. Ich musste mich richtig anstrengen, dieses Kopfkino zu beenden.
Als wir in den Urlaub fuhren, war ich davon überzeugt, dass uns etwas zustoßen würde. Mir war die ganzen zwei Wochen immer wieder mulmig zumute und ich dachte bei jedem Ausflug: Was, wenn das jetzt der Tag ist, an dem „das Schlimme“ passiert? Ich habe vor jeder Autofahrt um Bewahrung gebetet und dass Jesus mir Ruhe schenkt.
Auch, wenn ich die Nachrichten verfolge, bekomme ich es mit der Angst zu tun: Verschwörungserzählungen, Hitze und Dürre, Katastrophen, die Zustände in Flüchtlingslagern, der Klimawandel… machen mir dabei noch mehr zu schaffen als Corona selbst.
Seit Corona…
verliere ich mehr und mehr das Vertrauen in die Menschheit. Meine Gedanken wurden in den vergangenen Monaten immer negativer und hoffnungsloser. Mir schien, dass es nichts Gutes mehr unter der Sonne gebe. Dass wir Menschen uns gegenseitig immer nur Leid und noch mehr Leid zufügen. Seit – immer schon.
Ich empfinde großen Weltschmerz. Eine größer werdende Sehnsucht, dass die Himmel aufreißen und Gott mit all der Ungerechtigkeit, all dem Schmerz, all dem unsäglichen Leid endlich ein Ende macht.
Seit Corona…
schmerzt der Kinderwunsch wieder mehr. Besonders in den letzten Wochen. So viele neue Schwangerschaften, sich rundende Babybäuche, zerknautsche Säuglinge… Mal wieder bekomme ich das Gefühl, dass um mich herum alle schwanger werden, auch die, die das eigentlich gar nicht wollten. Ich freue mich mit den werdenden Mamas und über die neuen Mini-Menschlein, und doch gibt es mir jedes Mal wieder einen Stich.
Dabei weiß ich selbst gar nicht mehr, ob ich wirklich noch ein drittes Kind möchte, ob wir wirklich nochmal ganz von vorne anfangen wollen – jetzt, wo wir zwei Schulkinder haben. Trotzdem, ich erliege immer wieder der Illusion, ich könnte unsere „Familienplanung“ selbst unter Kontrolle haben und leide daran, dass offensichtlich für mich entschieden wurde, dass zwei Kinder genug sind.
Seit Corona…
hatte ich deutlich weniger Kontakt zu meinen Freundinnen, zu Nachbarn, Bekannten, Familie und zur Gemeinde. Ich war so sehr damit beschäftigt, den neuen Alltag zu Hause zu wuppen, dass ich kaum noch Kapazitäten übrighatte, mich mal bei jemandem zu melden. Und den anderen ging es genauso. Wir wurschtelten – gezwungenermaßen – jede vor sich hin.
Gottesdienste am Bildschirm fand ich zuerst ja noch aufregend und praktisch (endlich ausschlafen am Sonntag!), aber dann legte sich die Begeisterung und mir verging, ehrlich gesagt, die Lust. Ohne persönliche Begegnung, ohne wirkliche Gemeinschaft prallte alles nur noch an mir ab. Ich fühlte mich nicht ermutigt oder gestärkt. Und irgendwie merkte ja auch keiner, ob ich mit dabei war oder nicht…
Seit Corona…
verbringe ich dafür mehr Zeit auf Social Media, vor allem auf Instagram. Das hat sicherlich mit meinem Bedürfnis nach Kontakten und menschlicher „Nähe“ zu tun – die man dort natürlich nicht wirklich bekommt. Anstatt das Leben irgendwelcher Influencer zu stalken hätte ich mir doch lieber ein paar Minuten Zeit nehmen sollen, einer Freundin zu schreiben… (von wegen: Zeit hat man immer, die Frage ist nur, wie man sie nutzt. (Schein-)Beziehungs-Fastfood oder doch lieber was Richtiges…)
Instagram hat mich vor allem in der Anfangszeit sehr inspiriert: So viele Ideen, so viele kreative Mamas, so viele Familien, denen es genauso ging wie uns. Ich empfand eine große Solidarität, die mir half, die neue Situation zu meistern.
Instagram ermöglichte mir kleine quadratische Fluchten aus meiner Realität hinein in das aufregende, gestylte, glückliche Leben anderer. Für einen Moment konnte ich einfach woanders sein und vergessen, dass ich mehr oder weniger eingesperrt war bei uns zu Hause.
Mit der Zeit ging es aber immer negativer zu und ich merkte, dass es mich eigentlich deprimierte, auf Instagram unterwegs zu sein. Als mir schon längst die Puste ausgegangen war, schienen andere noch immer über genug Power für Sprints zu verfügen. Der Ton wurde rauer, die Meinungen drifteten mehr und mehr auseinander und ich fühlte mich irgendwie dazwischen.
Da wäre es sinnvoll, einen Schritt zurück zu treten und Abstand zu halten – gedankliche eineinhalb bis zwei Meter…
Ich kann am besten denken, wenn ich schreibe. Dabei ordnen sich meine Gedanken und Gefühle und ich sehe Schwarz auf Weiß, was eigentlich los ist in Herz und Hirn. Beim Schreiben kommt dann meistens auch die Erkenntnis. Der Aha-Effekt. So wie in vielen Psalmen, wo am Anfang noch Klage, Vorwürfe und Leid stehen und am Ende dann doch Dankbarkeit und Lobpreis erklingen.
Während ich so schreibe, erkenne ich plötzlich, dass seit und durch Corona auch viel Gutes passiert ist.
Durch Corona…
habe ich mich selbst als Mama ganz neu kennengelernt. Ich habe gemerkt, was ich alles schaffen und meistern kann – jeden Tag 24/7 mit den Kindern zusammen sein, Home Schooling, Haushalt, nebenbei ein bisschen was arbeiten, Quality Time… Und ich bin so gut wie gar nicht durchgedreht! Habe Tag für Tag gemeinsam mit den Kindern gestaltet und hatte dabei so viel Spaß und so viele schöne Momente mit meinen beiden Großen!
Das hätte ich mir in dem Umfang noch zu Anfang des Jahres niemals zugetraut!
Und jetzt, wo die Kinder wieder „normal“ zur Schule gehen, vermisse ich sie total. Ich hole sie sogar extra früher ab, weil ich sie ganz dringend wieder bei mir haben muss.
Für mich als hochsensible, introvertierte Mama mit vielen Selbstzweifeln waren die Corona-Monate zu Hause – im Rückspiegel betrachtet – direkt heilsam.
Durch Corona…
hat Gott mir gezeigt, wie treu er ist und wie er uns ganz praktisch versorgt, jeden Tag. Ohne ihn hätte ich das alles nicht geschafft, mit den Kindern, dem Haushalt, der Arbeit. Schon allein die Tatsache, dass ich bei der Aussicht auf wochenlanges Home Schooling nicht verzweifelt bin, verdanke ich Ihm. Jeden Tag bekam ich genau die Portion an Nerven und Kraft, die ich brauchte. Und nicht nur das:
Wir hatten immer genug Klopapier im Haus, und sogar einen Würfel Hefe zu Ostern.
Der Firma, für die mein Mann arbeitet, ging und geht es gut und er musste nicht in Kurzarbeit gehen.
Auch meinem Business konnte die Krise bisher nichts anhaben und ich bin dankbar für alle Aufträge und Bestellungen!
Unseren Eltern und Großeltern geht es gut und wir müssen uns keine akuten Sorgen um ihre Gesundheit machen.
Es gibt so viele Gründe, dankbar zu sein!
Durch Corona…
haben neue, gesunde Routinen in meinen Alltag gefunden. Zusammen mit den Kindern habe ich entdeckt, wie gern ich tanze und mich bewege. Wir haben Familienandachten gehalten und begonnen, miteinander in der Familienbibel zu lesen.
Das Zurückgeworfensein auf die eigenen vier Wände und auf den engsten Familienkreis kann auch eine Besinnung bewirken auf das, was wirklich wichtig ist. Wie möchten wir leben? Was sind unsere Werte? Woran und an wen glauben wir – und wie wirkt sich das ganz praktisch aus?
Durch Corona…
haben wir lauter besondere Aktionen zu Hause gestartet, die wir sonst wahrscheinlich nicht gemacht hätten – wie in einem improvisierten Zelt im Wohnzimmer übernachten oder eine Eisdiele auf dem Balkon eröffnen…
Durch Corona…
zeigte sich, wie tragfähig unsere Freundschaften und Beziehungen sind. Auch, wenn wir uns nicht ständig austauschen konnten, wenn Wochen oder sogar Monate vergingen bis zu einem Treffen – die Verbindung ist noch da. Wir sind uns nicht fremd geworden. Im Gegenteil: Die gemeinsame Krisen-Erfahrung (wenn die individuellen Erlebnisse und Umstände auch unterschiedlich waren) hat uns zusammengeschweißt.
Corona ist noch nicht vorbei.
Wer weiß, was die nächsten Wochen und Monate bringen wird. Ob die Kinder bald wieder hauptsächlich zu Hause betreut und “beschult” werden müssen, ob wir an Weihnachten unsere Familien besuchen können, ob wir nicht doch noch selbst erkranken…
Im Moment macht mir die Unsicherheit (noch) nichts aus. Das vergangene halbe Jahr hat mir gezeigt, dass wir uns den Gegebenheiten anpassen müssen und dass wir viel mehr schaffen, als wir zunächst denken.
Und: Wir haben es nicht in der Hand.
Wir haben unser Leben nicht unter Kontrolle – zu keinem Zeitpunkt!
Wenn alles glatt läuft, vergessen wir das oft, und meinen, das Steuer fest in der Hand zu halten. Wenn alles nach Plan geht, machen wir ja offensichtlich alles richtig – oder?
Es ist alles Gnade.
Alles Geschenk.
Wir gehen weiter im Vertrauen, im Wissen, dass Gott alles in seiner Hand hält. Auch mich und mein kleines Leben.
♥
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Ich freue mich, dir zu schreiben!
2 Kommentare
Judith
Liebe Rebekka,
herzlichen Dank für deine persönlichen und offenen Worte! Ich finde mich in so Vielem wieder was du geschrieben hast! Auch was die “Ängste” seit Corona betreffen. Da merkt man erstmal, dass man nicht verrückt geworden ist, sondern andere Menschen auch damit zu kämpfen haben.
Und zum Thema Kinderwunsch kann ich nur alles bestätigen was du geschrieben hast… mir geht es ja ähnlich…nur, dass der Wunsch bei uns schon seit 7 Jahren besteht…
Ich hab in der Vergangenheit öfters an dich denken müssen und daran gedacht, dass ich doch gerne so wie du das Ganze sehen können würde … Vertrauen in Gott, wenn es nicht mehr sein soll, dann eben nicht usw. Aber ich fragte mich immer, wie du das machst… so eine friedvolle, innere Haltung zu dem Thema zu bekommen…
Bis ich jetzt deine ehrlichen Worte gelesen habe… Und du wirst es nicht glauben, aber das tat gut zu lesen, auch wenn ich es dir natürlich nicht wünsche so zu fühlen… aber ich glaube das ist sowas von normal und gehört einfach dazu… Mir geht es ganz genau so… Trotzdem wünsche ich mir, dass ich damit auch immer besser klarkomme, dass es halt nicht mehr sein soll…
Alles Liebe
Judith
rebekkasloveletter
Liebe Judith, hab vielen Dank für deinen Kommentar und deine große Offenheit! Es lohnt sich immer wieder, einfach ehrlich zu sein und sich verletzlich zu machen – dann finden echte Begegnungen statt und wir können einander ermutigen! Was den Kinderwunsch angeht, ist es bei mir ein Auf und Ab. Es gibt Zeiten, da habe ich Frieden und kann ganz im Vertrauen sein – aber es gibt auch Momente des Schmerzes, in denen ich mich dagegen auflehne und nur schwer akzeptieren kann, dass es ist, wie es ist. Auch wenn ich sehr wenig Erfahrung in dem Bereich habe, vermute ich, dass Kinderwunsch eine Form der Trauer ist. In der Trauer gibt es verschiedene Phasen; und wir können das Thema vermutlich niemals als wirklich “abgeschlossen” betrachten. Ich wünsche dir alles Gute! Schön, dass du da bist und wir zusammen unterwegs sind!
Liebe Grüße, Rebekka